Roadtrip 2021, Etappe 3: Baumhausabenteuer in den Rhône-Alpes

Warum das Navi in der Schweiz die rund 400km von Küssnacht bis nach Château Bernard mit über fünf Stunden bewertet, erschließt sich uns, als wir unweit von der Französischen Grenze von der Autobahn abfahren und die Straßen bis zum Ziel immer schmaler und kurviger werden. Der Grenzübertritt ist unkompliziert. Wir sind gut vorbereitet mit unseren Impfungen und den Testzertifikaten der Kinder, werden aber noch nicht einmal angehalten und kontrolliert. 

Nun führt uns der Weg über Serpentinen bergauf in die Rhône-Alpes. Das Panorama ist wirklich schön, auch wenn ich es aufgrund des Abgrunds zu meiner Rechten nicht wirklich genießen kann. Kommt mit dem Alter etwa noch die Höhenangst? In Australien bin ich in 12.000ft noch aus einem Flugzeug gesprungen, hier lässt mich die Mischung aus der Tiefe neben mir und der zunehmenden Kurven schon Übelkeit verspüren. Dazu kommen noch die leichten Schweißausbrüche, wenn uns auf der engen Straße jemand entgegen kommt und wir uns irgendwie aneinander vorbei manövrieren müssen, ohne abzustürzen. 

Aber die aufregende Fahrt nach oben lohnt sich. Mitten im Wald treffen wir endlich Jassel, Basti und Moritz, die mit unserer Baumhaus-Gastgeberin Céline und ihrem Hund auf einem einsamen Schotterparkplatz auf uns warten. Die erste wichtige Info gibt sie uns gleich zu Beginn: Das vorhergesagte Gewitter wird heute wohl doch nicht mehr erwartet. Sehr beruhigend zu wissen, wenn man in einem 10 Meter hohen Baumhaus mitten im Nirgendwo übernachtet. Aber Céline ist sowieso tiefenentspannt und erklärt uns schmunzelnd, dass das Risiko, dass zwischen all diesen hohen Bäumen, ausgerechnet unserer vom Blitz getroffen wird, sowieso verschwindend gering ist. Na dann ist ja gut…

Nach einem kurzen Marsch erreichen wir unsere Baumhäuser. Céline erklärt uns, dass ihr Vater beide Häuser gebaut hat und dass er wohl auch in der Nähe einen Cable Riding Parcours betreibt. Sehr gut, dass der Mann anscheinend Ahnung von dem hat, was er tut, und unser Haus, das wir als erstes betreten, wirkt auch grundsolide. Richtig cool ist die Idee, dass man das Haus über zwei Hängebrücken erreicht, die von Baum zu Baum gehen. Unser Baumhaus hat zwei Terrassen mitten in den Baumwipfeln (eine etwas höher und über eine weitere Treppe zu erreichen) und ist auch innen sehr gut ausgestattet. Es gibt eine kleine Küche, die wir mit unserem Chaos innerhalb von 10 Minuten nach Célines Abschied komplett verwüstet haben. Frühstück für den nächsten Morgen hat sie uns auch direkt mitgebracht. Es gibt frisches Brot (auch wenn Jassel und ich uns kurz sammeln müssen, weil unsere Wirtin sich die Laibe beim Aufstieg rechts und links unter die Achseln geklemmt hatte) und hausgemachte Marmelade. In unserem Baumhaus gibt es zudem mehrere Betten und Klappsofas, auf derselben und der oberen Ebene. Und für das richtige Naturgefühl gibt es eine Komposttoilette mit Holzspänen aus einem Eimer statt Spülung, die besonders die Kinder in ihrer Funktionsweise fasziniert. Alles im Haus ist blitzsauber und urgemütlich. 

Nach der langen Fahrt sind wir alle wahnsinnig hungrig. Céline versucht uns zu helfen, eine Pizzeria zu finden, die heute geöffnet hat. Es ist leider Montag und in den meisten Restaurants in Frankreich ist heute Ruhetag. Also tun wir das, was sich schon im letzten gemeinsamen Urlaub in der Normandie bei unseren zwei Familien bewährt hat: Wir improvisieren! Und das Buffett aus all unseren mitgebrachten Kleinigkeiten kann sich sehen lassen: Es gibt Brot, Wurst, Oliven, Spiegeleier, Bergkäse und noch vieles mehr. Später sitzen wir Erwachsenen bei dem ein oder anderen Glas Wein zusammen, während die Kinder unten durch den Wald streifen. 

Die Sonne geht langsam in den Bergen unter und zum vorerst letzten Mal auf dieser Reise ziehen wir unsere langen Hosen und Pullis an. Als die Dunkelheit sich langsam über den Wald legt, kann man tatsächlich die Hand nicht mehr vor Augen sehen. Ein Kauz ruft durch die Nacht und mit ein bißchen Respekt vor den Wildschweinen, von denen Céline gesprochen hat, brechen Jassel, Basti und Moritz durch den dunklen Wald zu ihrem Baumhaus auf. Irgendwie schön, dass wir hier weit und breit ganz allein sind, denke ich, bevor ich tief und fest in Blümchenbettwäsche und mit einem schnarchenden Mads neben mir einschlafe. 

Am nächsten Morgen habe ich mit der italienischen Espressomaschine schon Kaffee auf dem Gasherd aufgesetzt, als unsere Freunde über den kleinen Pfad von ihrem Baumhaus zu unserem kommen. Nach dem ausgiebigen Frühstück machen wir uns zusammen auf, um die Gegend zu erkunden. Hinter dem Baumhaus unserer Freunde befindet sich eine Lichtung, auf deren einer Seite sich ein Gipfel mit Steilwand befindet und auf deren anderer Seite man ins Tal und auf das Bergpanorama gegenüber schauen kann. 

Wir laufen ein wenig herum und sitzen dann einfach andächtig auf der Wiese mit zahlreichen Wildblumen, Grashüpfern und Schmetterlingen. Mia pflückt einen Strauß für die Gastgeberin und die Jungs toben durchs Gras. Basti testet seine neue Drohne und nimmt das Panorama aus der Luft auf. Es ist wirklich ein Ort zum herunterkommen und dem Zitat von Astrid Lindgren zu folgen, dass man manchmal auch einfach nur dasitzen und vor sich hin gucken sollte. 

Vor der Weiterfahrt gibt es noch einen ausgiebigen Kaffee auf der Baumhausterrasse, dann brechen wir auf in Richtung Côte d‘Azur durch das wunderschöne Alpenpanorama. Ich kann gar nicht aufhören, aus dem Fenster zu fotografieren. Berge und Täler ziehen an uns vorbei und nur zweimal führt unsere Route diesmal kurze Stücke über Autobahnen. Ansonsten führt die kürzeste Route anscheinend „durch‘s Outback“, wie Jassel so schön bemerkt. Schließlich erreichen wir die Provence und die ersten Lavendelfelder, die Verdonschlucht und ein paar Weingüter tauchen rechts und links neben der Straße auf. 

Fast mit einer Vollbremsung halten Jens und ich an einem der Weingüter an und fahren kurz darauf mit zwei Weinkisten im Gepäck weiter. Besseren als hier werden wir wohl keinen bekommen. Dann können ja die lauen Sommernächte in unserem Mobile Home in Fréjus am Mittelmeer beginnen…

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