Vias Roadtrip, Etappe 3: Einfach Auberge!


Das Herrenhaus La Saudade finden wir erst gar nicht im Örtchen Saint-Péray. Jens und ich fahren zumindest zweimal daran vorbei. Nebenan befindet sich ein Hochhaus, auf der anderen Seite ist ein Friedhof. Ein Herrenhaus können wir nicht ausmachen. Aber als sich beim dritten Anlauf auch Basti und Jassel bereits in der Straße befinden und sich nach gemeinsamer Suche das automatische Tor zur Einfahrt zwischen dicken Steinmauern öffnet, gefällt es mir dort sofort. Das Haus wurde 1880 erbaut und von der Inhaberin und ihrer Familie liebevoll renoviert. "Saudade" bedeutet Sehnsucht nach etwas Geliebtem. Was für ein schöner Name! 
 
 
Die Besitzerin Claire ist eine leicht zerstreute, aber herzensgute Frau, die uns in der langen Auffahrt entgegen gelaufen kommt. Huch, sie hatte erst gegen Abend mit uns gerechnet und nicht bereits um 16 Uhr, sagt sie. Die Zimmer sind noch gar nicht fertig. Sie hatte sich doch bereits bei unserer Buchung per Email, wie sie so schön schrieb, „überfordert“. Ihr Deutsch ist wirklich gut und ich mag die kleinen Eigenheiten in der Art wie sie spricht. Wir beruhigen sie. Wir haben doch keine Eile und wollen auch nicht sofort ins Bett. Huch, wir sind auch 7 statt 6, erkennt sie beim Stichwort Bett. Sie muss noch eines fertig machen, fällt ihr dabei auf. Wir sagen ihr, dass sie sich wegen uns keinen Stress machen soll, denn wir sind mit einem Platz in ihrem Garten in der Sonne erstmal vollkommen zufrieden. 

Es ist wirklich heiß in Saint-Péray, so dass wir nach einem Nachmittag der Entspannung auf eiserenen Stühlen an einem geschwungenen Tischchen vor dem Herrenhaus erst gegen Abend auf Erkundungstour gehen. Claire hat uns einen Tisch in der Auberge de Crussol reserviert. Wie sie Jassel so schön per Email schrieb: „Dorthin geht es steil bergauf, aber auch meine 81-jährige Mutter hat es geschafft!“. 

Na, dann hoffen wir mal, dass wir genauso fit sind wie die alte Dame. Sie hat auf jeden Fall zur Steigung nicht zu viel versprochen, aber die Wandertour gefällt uns. Von unserem Herrenhaus überqueren wir einen kleinen Fluss und beginnen den Berg, der über Saint-Péray prangt, zu erklimmen. Bereits auf halber Strecke, als wir das offensichtlich private Château de Beauregard passieren, hat man einen tollen Ausblick auf das Städtchen, das sich unter uns ins Tal schmiegt. 

Als wir die Auberge de Crussol erreichen, hat diese noch geschlossen. Claire hatte sich bei unserer Reservierung wohl in der Zeit geirrt. Der Wirt empfiehlt uns noch ein kleines Stück den Berg hinaufzugehen, da sich dort eine ganz besondere Sehenswürdigkeit befinde. Und er soll recht behalten, denn nach einem weiteren Aufstieg lichten sich die Bäume und wir blicken auf eine grandiose, riesige Burgruine: das ehemalige Château de Crussol. Wir ärgern uns, dass wir die Drohne nicht mitgenommen haben. Was wären das für tolle Aufnahmen gewesen. 

Leicht unterhalb der Burgruine befindet sich eine Art Amphietheater. Holzbalken sind als Bänke in den Hang gebaut, unterhalb gibt es eine große Bühne. Das Ganze ist der Schauplatz des Crussol Festivals, das erst vor ein paar Tagen stattgefunden hat. Wir hatten die Bilder bei Instagram gesehen und auch, dass die Auberge de Crussol ganz tolles Catering gemacht hat. Da läuft uns nun umso mehr das Wasser im Munde zusammen.

Nachdem wir etwas Zeit um die Burgruine herum verbracht haben, dürfen wir endlich zumindest hinein, in den Garten der Auberge de Crussol. Es dauert noch eine Weile, bis wir an einen urigen Holztisch unter Bäumen mit Lichterketten geleitet werden. Unweit von uns befindet sich ein offenes Häuschen, in dem offensichtlich die Steaks gegrillt werden, für die das Restaurant bekannt ist. An der Tür des Restaurantgebäudes aus Sandstein zeigt uns ein Michelinstern von 2020, dass dieser Abend sich in unsere kulinarischen Erlebnisse einreihen wird. Der Tisch ist übrigens wieder für 6 Personen reserviert. Man bringt uns noch schnell ein Gedeck für Mads. Wir müssen schmunzeln! Gute, alte Claire. Auch bei der Reservierung unseres Restaurantbesuchs hatte sie nun wieder alles durcheinandergebracht. Aber irgendwie doch auch liebenswert.

Die Kellnerin kommt und fragt unsere Getränkewünsche ab. In unserer altbewährten Methode fragen wir nach ihrer lokalen Weinempfehlung. Sie schlägt uns einen Saint-Péray vor, den wir dankend direkt bestellen und der sich als gute Wahl für 34€ die Flasche entpuppt. Als Vorspeise bekomme ich wenig später eine Gazpacho, die wirklich unvergleichlich ist! Für den Hauptgang wird für den Großteil von uns ein großes Holzbrett mit Rindersteak, dazu Schwenkkartoffeln und Grillgemüse gereicht. Eigentlich hatten wir Filet bestellt. Filet ist das hier auf jeden Fall nicht, aber es schmeckt trotzdem richtig gut! Zum Nachtisch bestelle ich ein „schwebendes Mädchen“, eine leichte Creme. Auch sehr lecker!

"Einfach Auberge!", sagt Bastian, der sich im Vorfeld dieser Reise wohl am meisten auf dieses Restaurant gefreut hatte und jedes bis dato gegrillte Steak im Feed auf Instagram verfolgt hat. Die Lichterketten werden angemacht als die Sonne über Saint-Péray untergeht. Hier mitten im Wald auf diesem Berg unter Bäumen an einem langen Holztisch mit unserer siebenköpfigen Truppe zu sitzen hat etwas Tiefenentspannendes. Wir lachen und trinken Wein und die Jungs erkunden die Gegend um die Auberge herum. Jassel, Mia und ich machen uns ebenfalls auf einen kleinen Streifzug auf, denn wir haben gelesen, dass die Auberge auch Tiere hat. Und tatsächlich: neben dem Garten gibt es eine Weide mit Eseln, die sich durch den Zaun genügsam streicheln lassen. Zudem kann man von hier auf die Lichter von Saint-Péray herunterschauen. Traumhafter Ausblick!

Selig tapsen wir später in der Dunkelheit wieder hinunter in den Ort, sitzen noch eine ganze Weile draußen im Garten des Herrenhauses, bevor sich alle in ihre geräumigen Zimmer zurückziehen. Claire vermietet nur drei Zimmer. Eines haben Jassel, Bastian und Moritz. Wir bewohnen mit den Kindern die zwei Dachzimmer. Mit uns ist das Haus also ausgebucht, so dass wir auch beim morgendlichen Frühstück in der herrschaftlichen Küche ganz unter uns sind und wieder an einer langen Holztafel sitzen. 

Claire hat frische Croissants und diverse andere Leckereien aufgetischt. Heute wirkt sie entspannter als am Vorabend und plaudert mit uns über ihre Studienzeit in Deutschland. Da uns der Wein des Ortes Saint-Péray gestern im Restaurant so gut gefallen hat, fragen wir sie nach einer Möglichkeit uns mit ein paar Flaschen für die weitere Reise einzudecken. Claire empfiehlt uns das Maison des Vins, das wir fußläufig erreichen können und wir beschließen dort einen Stopp einzulegen. Ein solider Weinvorrat kann sicherlich nicht schaden.

Der schnellste Weinkauf meines Lebens findet dann kurz nach diesem Frühstück statt. Jassel und ich gehen in das Maison des Vins, machen im Regal direkt eine Flasche des gesuchten Tropfens aus und fragen die Verkäuferin, ob wir eine Kiste bekommen können. Zack, zack, die Hälfte des gestrigen Preises in der Auberge bezahlt, herausgetragen und weiter geht der Roadtrip. Die zwei Verkäuferinnen des Ladens schauen uns fassungslos hinterher. Zumindest habe ich das Gefühl, ihre Blicke hinter meinem Rücken zu spüren. Tja, wir sind halt zielstrebig…vor allem, wenn es um Wein geht!


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