Die längst überfällige Auszeit in Sankt Peter-Ording
Wie sehr man eine Auszeit gebraucht hat, merkt man manchmal erst, wenn man schon mitten drin ist. So ging es mir zumindest, als ich nach Monaten zwischen Homeoffice und Homeschooling endlich wieder am Meer stand. Eiskalte Nordsee und wunderbar weißer Sand...
Dabei war ich am Wochenende zuvor nur zufällig beim Herumspielen mit dem Handy auf den alten, reetdachbedeckten Haubarg in der Nähe von Sankt Peter-Ording aufmerksam geworden, in dem unsere Ferienwohnung lag. "Hübsches Häuschen am Meer", dachte ich mir und stellte fest, dass dort zufällig noch etwas frei war. "Einfach nur mal raus an die See nach all den Monaten!", hatten Marion und ich noch am Tag zuvor sinniert, daher reichte eine kurze Nachricht und schon riefen Marion und Michael zurück mit dem Satz: "Wir sind dabei, du kannst direkt buchen!".
Und dann lag die Ferienwohnung auch noch in einem kleinen Dorf, das "Welt" hieß. Das konnte nur ein Zeichen sein! Ich habe es ja immer gesagt: "Die Welt ist ein Dorf"!
Und wir hatten sogar Glück mit dem Wetter. Zwar durfte man nun in der (auch nicht enden wollenden Coronazeit) bereits seit zwei Wochen wieder in sogenannte Modellregionen an Nord- und Ostsee reisen, aber die meiste Zeit schüttete es noch wie aus Kübeln. Wir hatten an unserem Wochenende zwar auch Wolken und hier und da etwas Wind, aber sobald die Sonne raus kam, war es angenehm warm.
Wie sehr man das doch braucht, wenn einen der nicht enden wollende Winter bis ans Ende des Monats Mai begleitet. Und dann auch noch in einer Zeit, in der man eigentlich kaum Möglichkeiten hat, sich zu beschäftigen, wenn man nicht gerade - wie so oft - mit der Familie bei Wind und Wetter spazieren geht.
Eine Hürde stand aber zuvor noch zwischen uns und dem Wochenendtrip: ein Corona-Schnelltest. Eigentlich war ich bei unseren Tests bisher immer sehr entspannt gewesen, aber da ich mehr und mehr merkte, wie sehr mir diese Auszeit am Herzen lag, platzte ich fast vor Aufregung bis die Testergebnisse endlich auf meinem Handy eingingen. Kurz vor der Autobahn waren wir rechts ran gefahren und alle warteten gebannt auf meine Reaktion. Ich atmete hörbar auf, als ich verkünden konnte, dass wir alle negativ getestet waren und wir endlich auf die A2 auffahren konnten.
Unser Haubarg lag ungefähr 13km von Sankt Peter-Ording entfernt. Was ein Haubarg eigentlich genau ist? Das ist ein alter landwirtschaftlicher Hof, in dessen Mitte (dem sogenannten "Vierkant") früher Stroh gelagert wurde. Wikipedia hat mir offenbart, dass es heute nur noch rund 100 Haubarge gibt, daher sind wir wohl unterkunftstechnisch mal wieder auf eine kleine Rarität gestoßen. Durch den Vierkant führte uns unser Weg in unsere Wohnung im Dachgeschoss. Ein netter, älterer Herr, der ebenfalls mit seiner Frau in einer der Wohnungen Urlaub machte, erklärte mir noch, dass im hinteren Bereich früher die Gesindekammern waren und vorn in den ersten Räumen die Bauersfamilie lebte. Wirklich spannend, wenn man eine so geschichtsträchtige Unterkunft hat! Da ist gleich wieder ein bißchen lebendiger Geschichtsunterricht abgefallen.
Wir verbrachten den restlichen Abend und auch den kompletten nächsten Tag mit Mari und Micha am Strand. Nach dem morgendlichen Testen hatten wir im Supermarkt gegenüber des Testzentrums auch direkt Sandspielzeug für die Kinder gekauft und so bauten Mads, Mari und ich Sandburgen bis zum Umfallen. Mimi war mit ihrer langen Hose derweil so tief in die Nordsee gestiefelt, dass sie den restlichen Tag eines meiner Tücher als Rock tragen musste, während ihre Hose an einem Pfosten hinter uns zum Trocknen im Wind wehte. Hätte sie Badesachen mitgehabt, ich schwöre, dass sie bei den rund 13 Grad im Schatten wohl auch noch schwimmen gegangen wäre.
Abends gab es Fisch und Steaks im "Arche Noah", einem Restaurant im Stil der klassischen Pfahlbauten, die man in Sankt Peter-Ording überall am Strand findet. Die Sonne war mittlerweile komplett herausgekommen und wärmte uns auf der Holzterrasse, so dass ich unweigerlich an unsere Campingzeit am Strand in den Niederlanden im letzten Jahr denken musste. Der Stress war immernoch unterschwellig da, aber so langsam begann er sich in eine Ecke zu stellen und zu schmollen, da er nicht mehr ganz so viel Beachtung fand. Nur bei Micha, der bei unserem kleinen Ausflug zum Südstrand bei Sankt Peter-Dorf am Nachmittag keinen Kuchen in dem kleinen Café am Strand zu sich genommen hatte, wollte sich keine Entspannung einstellen, bis endlich Nahrung auf dem Tisch stand. Die Kinder turnten unten in der sich senkenden Sonne über den Strand und den Spielplatz bis das Essen da war. Ich blinzelte in die Sonne, nippte an meinem Alster und lachte mit Mari darüber, wie Mads am Nachmittag über seinen "Nachmach-Bengel" gesprochen hatte und wir einige Zeit brauchten, bis uns klar wurde, dass er von seinem Schatten sprach. Im Erfinden neuer Wortkreationen ist er eben immer ganz vorne mit dabei!
Als wir abends in Sankt Peter-Ording erneut auf Nahrungssuche waren, liefen Mads plötzlich dicke Tränen über die Wangen. "Was ist den los?", fragte ich ihn und er schluchzte, dass er sich wünschte, dass die anderen noch nicht hätten abreisen müssen und dass er sie jetzt schon vermissen würde. Manchmal sind sie doch einfach Goldstücke! Das einzige, das ihn trösten würde, wäre nochmal in das Labyrinth zu gehen, das an der Promenade zu finden ist und das wir am Vortag schonmal ausprobiert hatten. Naja, solche Wünsche erfüllen wir doch sofort!
Und siehe da, daneben war sogar ein Restaurant, das noch einen Tisch für uns hatte. Manche Dinge ergeben sich doch einfach von selbst! Auch hier muss ich wieder sagen, wie sehr ich es genieße, wenn neben einem Restaurant ein Spielplatz oder eben - wie hier - ein Labyrinth ist. Die Kinder tobten unten herum, während wir oben auf der Terrasse quatschten und entspannt auf unser Essen warteten. Als wir nach dem Essen aufbrachen, sagte Mia grinsend etwas Freches zu Jens und er sagte laut vor sich hin: "Also so waren wir aber früher nicht!". Eine ältere Dame am Nebentisch lachte laut auf, sah uns an und sagte: "Aber ganz bestimmt sogar!". Mit einem Ohr hörte ich noch, wie ihre Freundin zu ihr sagte: "Was für tolle Kinder!". Na, mit so einer Aussage findet so ein Familienwochenende doch ein sehr gutes Ende :).
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