Tansania 2022 (3): Die "Big Three" im Nyerere National Park Tansania

Die Sache mit der Safari hatte ich mir zuhause eigentlich schon in den Kopf gesetzt. Und irgendwie habe ich es auf der Insel dann doch noch hinbekommen, dass wir eines schönen Morgens zur wundervollen Zeit von vier Uhr aus unseren Betten kriechen. Wenn man einen Pre-Teen dabei hat, ist um vier Uhr aufstehen wirklich ein dramatisches Ereignis, aber irgendwann bekommen wir auch Mia murrend aus dem Bett. 


Taxifahrer Makami braust mit uns die Straße gen Süden zum Flughafen nach Stonetown. Auf dem Weg dorthin passieren wir einen Checkpoint der Polizei, an dem wir erklären müssen, was wir zu so früher Stunde hier machen. Makami erklärt mir, dass es viele Einbrüche in den frühen Morgenstunden auf der Insel gäbe und daher vermehrt um diese Zeit kontrolliert würde. Obwohl schon ordentlich was los ist auf den Straßen, sitzen wir pünktlich in der kleinen Cessna, die im Sonnenaufgang schon auf dem Rollfeld wartet. 

 

Mit uns unterwegs sind zwei deutsche Pärchen, ein französisches Schickeria-Paar (er mit Rolex am Arm, sie mit Versace-Täschchen und Safari-Jumpsuit) und ein grummeliger Russe, der angibt aus Schweden zu kommen. Kurz fühle ich mich an das Buch „Hummeldumm“ von Tommy Jaud erinnert. Hat man es gelesen, kommt einem diese Reisegruppe hier doch seltsam bekannt vor. Wir fahren auf die Startbahn und…wieder zurück an unsere Ausgangsposition. Statt zu starten gibt unser Flugzeug leider nur ein lautes Rumpeln von sich. Nachdem das Flugzeug wieder geparkt ist und der Pilot mit einigen Flughafenmitarbeitern auf dem Rollfeld wild diskutiert, steigt er wieder ein, dreht sich zu uns allen um und sagt in aller Seelenruhe: „We have a technical problem…but don’t worry. It’s just a small technical problem!“. Woraufhin er das Handbuch hervorholt und darin zu blättern beginnt. Eine Frau vor mir denkt bereits laut darüber nach, doch lieber auf den Flug zu verzichten. 


Ich will einfach nur, dass diese Sardinenbüchse endlich abhebt. Nochmal kriege ich die Kinder nicht im Urlaub um vier Uhr aus dem Bett, denke ich. Die Lösung unseres „small technical problems“ ist schnell gefunden. Ein Flughafenmitarbeiter mit Warnweste klettert mit einer Leiter hoch zu unserem Motor, knipst die Batterie einmal ab und wieder dran und eh wir es uns versehen, rattern wir wieder zurück auf die Startbahn. Als Informatikerin ist mir das Vorgehen mit einem kurzen Neustart ja bekannt. Ich weiß nur nicht so recht, ob ich dem Braten auch bei einem Flugzeug trauen soll. Aber was soll es. Jetzt ist es eh zu spät.

 

Ungefähr 45 Minuten später landen wir auf der roten, staubigen Erde des Mtemere Flughafens, der sich direkt an einem der Tore zum Nyerere National Park befindet. Unser Guide steht auch bereits neben seinem Jeep und nimmt uns direkt im Empfang. Unsere Gruppe wird auf zwei Jeeps aufgeteilt, so dass wir mit dem grummeligen Russen fahren, während der Rest unserer Flugzeugcrew den anderen Jeep erklimmt. 

Was dann folgt ist eine wirklich unvergessliche Zeit für uns! An der ersten Giraffe am Straßenrand rast unser Guide noch vorbei. Er muss Kilometer machen, den der Nyerere National Park ist rund 30.000qkm groß. Er vertröstet uns auf später. Dann werden wir noch ganz viele Giraffen sehen, sagt er. Und er wird recht behalten. 

Das erste Tier, das wir hier überhaupt zu sehen bekommen ist ein Warzenschwein. Mads ist begeistert, haben wir doch zuhause noch „Der König der Löwen“ mit Timon und Pumba gesehen. Dann folgen Antilopen in Hülle und Fülle. Die sind einfach überall im Park zu finden, ähnlich wie Gnus, die wir auch mehrmals in großen Herden zu Gesicht bekommen. Unsere Kinder finden auch die Äffchen super, die ebenfalls in ganzen Familien über die befahrbaren Wege flitzen und sich schnell auf Bäume retten, als wir kommen. Die Wasserbüffel sind mir nicht geheuer. Unser Guide erzählt uns, dass sie zu den drei gefährlichsten Tieren hier im Park gehören, neben Löwen und Nilpferden, die man auch nicht unterschätzen darf. Dabei sehen sie ganz genügsam aus, wie sie so in einem der Seen vor sich hindümpeln und auch langsam am Ufer entlang traben. 


Giraffen flanieren grazil durch den Busch und fressen hier und dort mal ein paar Blätter aus den Bäumen. Was für stolze Tiere das sind. Ich könnte ihnen ewig zusehen, wie sie so daher schreiten. Mein Highlight aber sind die Elefanten. Zuerst sehen wir eine Elefantenfamilie mit einem Jungen an einem See. Das Kleine spielt im Matsch und rutscht immer wieder aus. Der Vater nimmt es mit dem Rüssel und setzt es wieder aufrecht in den Untergrund, bis es wieder ausrutscht. Das Spiel wiederholt sich einige Male und wir schauen gebannt aus der Ferne zu. 


Verrückt ist, wie sich die Landschaft zwischenzeitlich verändert. Mal fahren wir durch raue Steppe, dann an Seen mit saftiger Vegetation vorbei und schließlich in einen Palmenwald. Dort entdecken wir wieder Äffchen und auch Elefanten. Uns wird erklärt, dass sie häufig zusammenleben. Die Äffchen sind durch die Elefanten geschützt und werfen dafür Blätter und Früchte von den Bäumen herunter, die die Elefanten dann fressen. Ähnlich wie bei Gnus und Zebras. Zebras sind unheimlich scheu und so quasi eine Löwen-Warnanlage für die Gnus. Ich flippe fast aus, als in dem Palmenwald plötzlich eine Elefantenfamilie direkt an unseren Jeep kommt. Es ist ein wechselndes Gefühl zwischen Glück und Ehrfurcht, denn die könnten uns nun einfach platt machen, wenn sie wollten. Selbst unser Guide ist begeistert und filmt das Ganze mit seiner eigenen Kamera. Die Elefanten sind so nah, dass ich sie mit dem Teleobjektiv meiner Spiegelreflexkamera gar nicht mehr erfassen kann. Jens kann sie fast berühren, als sie an seinem hinteren Sitz vorbeispazieren. Auch sie haben ein Junges dabei, dass uns neugierig beäugt. Was für ein Moment! 


Es wird Zeit für ein spätes Lunch, beschließt unser Guide und wir fahren etwas weiter an einen See, an dem wir wieder Nilpferde sehen. Dort treffen wir auch den Jeep der anderen Gruppe wieder. Zwei Köche kommen angebraust und kochen uns ein leckeres Masala mit Hühnchen. Dazu gibt es Reis und Bananen. Und eine kalte Cola! Halleluja…vor lauter Tieren haben wir alle in der Hitze ganz vergessen ausreichend zu trinken. „If you need to make pipi, then this is your toilett!“, sagt unser Guide an die gesamte Gruppe gerichtet und deutet auf ein paar große Büsche. Das Gesicht der Frau des französischen Schickimicki-Paares zuckt kurz. Ich weiß genau, was sie denkt, schmunzle ich in mich hinein. „Warum habe ich mir nur einen Designer-Jumpsuit angezogen?“…das geht ihr sicher gerade durch den Kopf. Denn wenn man im Jumpsuit hinterm Busch Pipi macht, dann ist man…nackig…richtig! Dumm gelaufen. Ich muss direkt daran denken, wie sie am Flughafen von Mtemere vor mir in der Schlange zum Klo stand, während eines offensichtlich unbesetzt war. Auf kurze Rückfrage, warum sie das nicht nutze, meinte sie nur, dass das ein Stehklo wäre und sie darauf hoffe, dass hinter der anderen Tür eine normale Toilette warte. Ja Mäuschen, ich mag dich nicht enttäuschen, aber die Chancen stehen schlecht. Ich dachte das nur und überholte sie dankbar. 


Die Kinder sitzen im Jeep und mampfen ihre Hähnchenkeulen. Jens und ich haben unser Lunch auf der Motorhaube ausgebreitet. Solche Momente auf Reisen machen mich glücklich! Das Essen ist so lecker, dass wir uns Nachschub holen, nachdem wir sichergestellt haben, dass alle Guides und auch die Köche sich schon bedient haben. Wir lassen uns von dem mürrischen Russen vor dem See fotografieren und bedanken uns. Ich fotografiere ihn ebenfalls auf seine genauen Anweisungen hin und bekomme nur ein Grunzen als Dank. Unfreundlicher Kerl. Aber von dem lasse ich mir heute bestimmt nicht die Laune verderben. Schließlich hatte er sich schon in die Mitte des Jeeps gesetzt und auf meine Frage, ob es möglich wäre, dass wir als Familie zusammensitzen könnten, nur geantwortet: „You can…two in the back, two in the front!“. Danke auch, mein Lieber. Naja, vielleicht hat er ja die mittlere Reihe als seinen perfekten Aussichtspunkt auserkoren. 

Wir rollen derweil weiter und passieren wieder so einige Tiere. Die Zebras sind wirklich sehr scheu und es dauert eine Weile bis ich ein schönes Foto von einer der vielen Herden bekomme. Sie verschwinden immer direkt, wenn sie uns hören (und das ist wahrscheinlich auch gut so!). Dann bekommt unser Guide einen Anruf von einem Kollegen und wir brausen mit hoher Geschwindigkeit über die holprigen Wege. In einem ausgetrockneten Flussbett hat jemand Löwen gesichtet. Also nichts wie hin! Wir fahren eine ganze Weile (der Park hat wie geschrieben 30.000qkm) und dann sehen wir sie. Das dritte Tier der „Big Five“, das wir heute zu Gesicht bekommen. Der Löwe gehört neben Elefanten und Wasserbüffeln dazu, wie auch Leopard und Nashorn. Die letzteren beiden kann man in diesem Nationalpark allerdings nicht finden. 

Uns reicht eine „Big Three“ auch vollkommen aus, vorallem, weil wir neben denen doch heute so unheimlich viele Tiere zu sehen bekommen haben. Der Löwe hat wohl gerade gefressen und liegt träge im Flussbett. Am Anfang könnte man fast meinen, dass er gar nicht mehr lebt. Er ist schon ein älteres Semester und regt sich kein bisschen. Dann steht er auf uns geht ein paar Schritt, um sich im Schatten wieder aufs Ohr zu legen. Auf einer Anhöhe liegt seine Löwenfamilie, die Löwinnen und die Jungen. „Papa always sleeps away from family!“, sagt unser Guide. Ja ganz klar, der Löwe genießt schön seine Ruhe! Ob man hier aussteigen und gucken darf, frage ich. Schließlich ist ein ziemlich tiefer und breiter Abgrund zwischen uns und den Löwen. Aber das ist unserem Guide dann doch zu heiß. Ich soll lieber im Wagen bleiben. Na gut, Löwenfutter wollte ich jetzt auch nicht werden. 

 

Krokodile sehen wir auch noch. Sie treiben wie dunkle Schatten in einem der Flüsse. Eins liegt voll ausgestreckt an Land und sonnt sich. Oder wartet darauf, dass einer von uns aussteigt und ein bisschen baden gehen möchte. Wie sagte uns damals jemand in Australien: „Crocodiles don’t bite you, they eat you!“. Unheimlich, sie so nah in ihrer natürlichen Umgebung zu sehen. 

Der Tag geht viel zu schnell vorbei. Wir passieren noch einmal Äffchen, Giraffen, Zebras und und und. Bis wir uns schließlich auf den Weg zurück zum Flughafen machen müssen. Das letzte Stück sind wir alle unheimlich müde und schlafen alle beim Geruckel des Jeeps ein. 


Als unser Flieger kommt, guckt mich Jens an und sagt: „Meinst du, ich kann ihn fragen, ob ich vorne sitzen darf?“. Kurzum: Er darf auf dem Sitz des Co-Piloten mitfliegen, was unsere Reisegruppe ihn begeistert anfeuern lässt. Die Frau vor mir dreht sich zu mir um und sagt: „Na, wenn der Jens uns jetzt zurückfliegt, dann kann ja nichts mehr schief gehen!“. Als wir 45 Minuten später landen klatscht das ganze Flugzeug und feiert Jens für die sanfte Landung. Der winkt von vorne dankend ab, aber er grinst von einem Ohr zum anderen. Sicherlich auch ein einmaliges Erlebnis, wenn der Pilot einem erlaubt, neben ihm Platz zu nehmen.


Müde, aber glücklich kommen wir spät wieder in Nungwi an. Und da erwartet uns noch eine Überraschung. Am Strand ist heute ein großes Grillbuffet aufgebaut. Alles ist mit Hibiskus Blüten und Girlanden aus Palmblättern geschmückt. Mit den Füßen im Sand sitzen wir an einem Tisch mit blütenweißer Tischdecke. Ein besseres Setting gibt es gar nicht, um das Erlebte des Tages Revue passieren zu lassen.

 

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Das Weser-Hochwasser zu Weihnachten

Das Schärfste zwischen Lübbenau und Burg - Die Chaosfamilie im Spreewald

HO17...oder "Die Welt zu Gast in Hessisch Oldendorf"