HO22 - Hessisch Oldendorf, die große kleine Weltstadt

Es ist immer wieder faszinierend, wie unsere kleine, verschlafene Stadt alle vier Jahre plötzlich aus allen Nähten platzt. Diesmal sind es durch die Coronazeit sogar schon fünf Jahre, seit das letzte Volkswagen Veteranentreffen HO17 stattgefunden hat. Vielleicht fühlt sich das diesjährige Treffen dadurch auch nochmal größer und intensiver an. Alle haben ein extra Jahr Vorfreude hinter sich. 

 

 
Am Donnerstag kribbelt es mir bereits in den Fingern und ich überrede Mads mit mir eine Runde durch die Innenstadt von Hessisch Oldendorf zu bummeln. Nach und nach reisen die Bulli- und Käferfreunde aus aller Welt an und stellen ihre Fahrzeuge im Stadtzentrum aus. Internationale Kennzeichen, fremde Sprachen und Fachsimpeleien über die Fahrzeuge an jeder Ecke. Dazwischen Bühne, Karussell und jede Menge Buden, an denen es Leckeres zu essen gibt. Das startet alles schon genau nach meinem Geschmack, denke ich. 
 
 
 
Mit dem Fahrrad machen wir uns am Freitag mit der Chaosfamilie auf den Weg in die Stadt. Mittlerweile ist es rappelvoll! Fast kommen wir mit dem Rad gar nicht durch die Menge bis zum Fahrradparkplatz hinter dem Rathaus. Was allerdings auch daran liegt, dass wir auf dem Weg dorthin Hinz und Kunz treffen – von Bekannten über Freunde bis hin zu ehemaligen Lehrern. Gefühlt ist an diesem Wochenende jeder in Hessisch Oldendorf unterwegs. 

 

Auf der Bühne spielt schon das „Ladies‘ Trio“ aus der Ukraine und stimmt die Menge auf den Abend ein. Nebenbei sprechen sie sich vor den Besuchern aus 43 (!) Ländern dafür aus, wie wichtig es ist, den Frieden in der Welt zu bewahren oder wiederherzustellen. Wahre Worte! Aber hier sind sie mit dieser Botschaft genau richtig. Ich kenne keine so große, internationale Veranstaltung, die so friedlich abläuft wie unser großes VW Treffen. 

 

Wir schlendern erst einmal weiter durch die Stadt. Bewundern den Milchbulli, ein Original, das in früheren Zeiten tatsächlich die Milch in den Dörfern um Hessisch Oldendorf herum ausgeliefert hat. Dazu stehen auf dem Kirchplatz tatsächlich acht verschiedene Herbies - auch eine Einzigartigkeit! Die gesamte Lange Straße hinunter bewundern wir die verschiedenen Käfermodelle. An einem klebt ein Schild: „Zu verkaufen – 450€“. „Top Angebot! Dafür nehmen wir den direkt mit!“, ruft mein Onkel Bobby. Nach längerer Rätselei über den Preis, auch mit weiteren Passanten, die stehen bleiben, kommt die Auflösung: Der Aufbau im Kofferraum kostet 450€, der Käfer ist leider nicht zum Verkauf. Dafür gibt es aber einige andere Modelle und wenn ich was auf der hohen Kante hätte, hätte ich direkt zugeschlagen. So ein schöner Käfer oder T1 würde sich hervorragend auf dem Restehof machen, den ich in meinen Träumen eines Tages kaufen werde. Naja, wer weiß…vielleicht in vier Jahren! 


Wer an diesem Wochenende in Hessisch Oldendorf einkehren will, hat die Qual der Wahl. Auch Restaurants, die eigentlich geschlossen sind, haben ihre Türen wieder geöffnet. Wir sind tatsächlich aus einer Art Dornröschenschlaf erwacht. Aber auch neue Orte sind in der letzten Zeit entstanden, wie das neue Hostel für Fahrradtouristen, in dem vegane Küche angepriesen wird, oder auch die neue Weinbar ‚Weinviertele‘ mit kleinem Innenhof zum Kirchplatz hin. In Letzterer versacken wir erst einmal für längere Zeit, was nicht nur an den günstigsten Preisen des Festivals liegt, sondern auch an der freundlichen Bedienung in dem kleinen Familienbetrieb. Während wir Erwachsenen bei leckerem Wein die internationale Stimmung um uns herum genießen, haben sich Mia und ihre Freundin Lilly abgesetzt und ziehen zum ersten Mal allein um die Häuser. Eigentlich sehen wir die Kinder an diesem Abend nur, wenn sie Durst haben oder mehr Geld brauchen. Da ist also endlich dieses „Es wird einfacher!“, von dem immer alle sprechen. 


Bis spät in die Nacht hinein feiern wir an diesem Abend mit Livemusik der Band ‚Whyback‘ und trinken leckere Cocktails dazu. „Auf dem Campingplatz steigt noch eine ganz eigene Party“, erzählt mir Christian Grundmann, den ich mit seiner Frau an der Bühne treffe und der mit seiner gesamten Familie und vielen, vielen großartigen Helfern dieses Riesenspektakel alle vier Jahre organisiert. K.O., glücklich und nicht mehr ganz zielgerade machen wir uns in dieser Nacht auf den kurzen Weg nach Hause. 

 

Samstag brennt die Sonne noch mehr als am Freitag. Das Wetter ist dieses Mal definitiv auf unserer Seite. Clifton von ‚Live2Drive‘ schreibt mir, dass er und seine Freunde traurig sind, dass sie dieses Jahr nicht dabei sein können. Zu HO17 ist die Truppe aus Malaysia ganze sechs Monate mit dem Auto zu uns angereist und wir haben an dem Wochenende viel Zeit miteinander verbracht (siehe Blogeintrag von damals). Wehmütig verfolgen sie das diesmalige Treffen über die sozialen Netzwerke. Ich schicke Grüße in die Ferne und dann machen wir uns mit den Kindern auf zur Weserfähre in Großenwieden. Dort werden am Samstagnachmittag die Schwimmwagen zu Wasser gelassen. Endlich mal eine Gelegenheit, meine neue Drohne auszuprobieren. 

 

Die großenwiedener Seite der Fähre gleicht einer Festivalwiese, so viele Menschen tummeln sich dort und schauen zu. Wer Glück hat, kann gegen eine kleine Spende sogar mit ins Wasser rauschen. Mein kreatives Highlight ist ein umgebauter Bulli, der schwimmtüchtig gemacht wurde und ebenfalls zu Wasser gelassen wird. Nach dem Nachmittag an der Weser in der Menge brauchen wir eine kühle Abkühlung im Wald, bevor es wieder ins Getümmel geht. Wir fahren zum Wassertretbecken am Hohenstein, erfrischen uns im kalten Blutbach und lassen die Kinder toben und klettern. 


Gegen Abend sammelt uns unsere Chaosfamilie wieder auf dem Weg nach Hessisch Oldendorf ein. Diesmal bestaunen wir die Bullis, die um das Festzelt herum platziert sind, mal etwas genauer. Dort treffen wir eine Frau aus Arizona, die mit ihrer Familie durch Deutschland reist und neben München und Stuttgart tatsächlich auch Hessisch Oldendorf auf ihrer Reiseroute eingeplant hat. Ich kann es kaum glauben und frage nochmal nach, ob sie zufällig auf ihrer Reise von diesem VW Treffen gehört haben. „Nein!“, lacht sie, „Das war natürlich schon in den USA fest eingeplant!“. Immer wieder erstaunlich, solche Aussagen von fremden Menschen zu hören. Sie hätte mit ihrer Familie keine Unterkunft mehr in Hessisch Oldendorf bekommen und würde in Hameln wohnen. Hameln wäre ja auch wunderschön, aber Hessisch Oldendorf und die Stimmung hier würde nichts übertreffen. Während wir mit ihr sprechen, werden wir von Junikäfern attackiert, die zuhauf über die Wiese fliegen. So viele von den fliegenden Krabbeltieren haben wir noch nie auf einmal gesehen und mein Cousin Gavin mutmaßt grinsend, ob die wohl in irgendeinem der vielen Bullis eingeschleppt wurden oder aus Arizona, zum Beispiel? 


Das Wochenende neigt sich dem Ende zu. Wir essen Köfte, trinken Wein und tanzen ein letztes Mal vor der Bühne am Rathaus mit den vielen Menschen aus 43 Nationen. Anfang der Woche ist HO22 wieder vorbei und meine Tante Ingrid meint: „Dann denken wir wieder, all das war nur ein Spuk!“. Ja genau, Montag werden wir von der Weltstadt wieder zum kleinen Bullerbü-Örtchen. Bis in vier Jahren, ihr lieben Menschen aus der ganzen Welt. Wir sehen uns bei HO26!


Kommentare

  1. Anonym5:29 PM

    Hallo Ines, ganz Toll geschrieben 👍👍🇱🇺🇱🇺L. G. Kees und Elke

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  2. Schön geschrieben Töchterlein ;-)

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  3. Anonym8:31 AM

    Sowas von klasse geschrieben

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  4. Anonym8:05 PM

    Superschön

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