Home is where you park - Ein Wochenende an der Ostsee

Ich fasse es noch gar nicht, dass der Bulli endlich wieder in Begegung gekommen ist. Wochenlang stand er, bis auf ein paar Fahrten zur Arbeit, nur in der Einfahrt herum und war schon komplett eingestaubt. Das Rapsfeld in der Nähe hatte ihn fast komplett in eine gelbe Pollendecke gehüllt.

Aber nun darf man - unter Einhaltung aller Vorsichtsmaßnahmen - wieder los fahren und so schnappte ich mir am Anfang des Wochenendes den Landvergnügen Reiseführer und suchte uns ein schönes Übernachtungsziel unweit von Travemünde heraus. Es war ein Minitrip von zwei Tagen, aber auch der kann ja schnell zu einem kleinen Abenteuer werden.


Mimi und Mads sind mittlerweile große Freunde von Sendungen, in denen Häuser neu gestaltet werden. Diese Dokus sind in unserer Familie quasi der kleinste gemeinsame Fernseh-Nenner. So hatten unsere Kinder bereits am Freitag den größten Spaß daran, den Bulli für die "große" Fahrt mit Kissen, Decken, Lichterketten und jede Menge Kuscheltieren zu dekorieren. Man hätte auch meinen können, dass wir wieder zwei Wochen unterwegs sein werden.


Was für ein schönes Gefühl, wenn man dann endlich im Bulli sitzt und weiß: "Jetzt geht es ans Meer!". Die Autobahnen waren am Samstag ungewohnt leer, so dass wir recht zügig in Travemünde ankamen. Ein kleiner Marsch mit dem Picknickkorb zum Strand und schon breiteten wir unsere Decke und alle mitgebrachten Leckereien vor einem Strandkorb aus. Wir hatten extra einen Strandkorb mit Blick auf dem Spielplatz gemietet, zu dem die Kinder nach einem kleinen Snack aus der Lunchbox gleich los sprinteten. Das Wetter war mittelprächtig, aber trocken und warm genug, um im Pulli am Strand zu liegen. Dafür war es herrlich leer um uns herum! Lag es am Wetter oder daran, dass Tagestouristen zurzeit an der See nicht erlaubt sind? Man weiß es nicht, aber wir genossen es auf jeden Fall!


Mads quiekte lachend, als er sich seinen Traum des Tages erfüllte: Einmal mit den Füßen ins Meerwasser zu stapfen. Er rannte immer wieder an die Wasserkante, ließ sich kurz Wasser über die Füße laufen und schrie beim zurück laufen laut "Kaaaalt, kaaalt, das ist kaaaalt!". Nur um dann sofort umzudrehen und wieder ins Wasser zu flitzen.


Auf dem Spielplatz kletterten die Kinder und ich über das Segelschiff aus Holz und sahen dann am Hafen den großen Frachschiffen zu, wie sie aus der Trave aufs weite Meer hinaus fuhren. Eins davon hieß "Corona Sea", wie passend. Direkt am Hafen brütete ein Schwan in seinem Nest und ließ sich von den vorbeilaufenden Touristen so gar nicht aus der Fassung bringen. Sicherlich hatte er sich diesen Platz zu einer Zeit gesucht, in der noch fast niemand hier entlang streifte.


Eigentlich hätten wir noch ewig am Strand bleiben können. Als der Nachmittag sich dem Ende zuneigte, überlegten wir noch kurz, ob wir unsere Übernachtung noch umplanen und direkt auf dem Caravan-Stellplatz in Travemünde bleiben sollten. Abends noch gemütlich etwas zu essen und dann mit einem Eis über die Promenade zu schlendern war schon verlockend! Aber Mimi und Mads protestierten laut. Unser Schlafplatz war nämlich auf einem Landvergnügen-Hof in der Nähe und sie wollten definitiv dort übernachten, da gab es keine Gegenargumente.


Und das war auch gut so! Wir fuhren mit der Fähre über die Trave Richtung Priwall und dann hinaus aufs platte Land. Allein die Fahrt über enge Straßen und Alleen von Schleswig-Holstein nach Mecklenburg-Vorpommern war schon toll. Unseren gebuchten Stellplatz auf dem Biohof Hohen Schönhausen erreichten wir kurz vor 18h und Moritz, ein Mann Mitte 30 mit Pferdeschwanz nahm uns in Empfang. Oberhalb vom Hof gab es drei Stellplätze für Wohnmobile, von denen nur einer belegt war. Moritz wies uns unseren Platz neben einem Berg mit Aussichtsplattform zu und fragte noch nett, ob er uns noch etwas Gutes tun könne. Eier hätten wir gern gehabt, aber leider waren die Hühner aktuell wohl nicht so legefreudig. Dafür hatte Moritz einen tollen Tipp für unser Abendessen. Nur ein paar Hundert Meter entfernt gab es ein kleines Restaurant, das 'Baumhaus' hieß. Das konnte er uns empfehlen. Und wir waren echt hungrig von unserem Tag am Meer!


Das 'Baumhaus' war ein super Tipp! Wir bestellten Spargel und Schnitzel und konnten die Wartezeit mit den Kindern auf dem zugehörigen Spielplatz mit Klettergeräten und allerlei Fahrzeugen verbringen. Restaurants mit Spielplatz sind immer super für uns. Die Kinder haben Spaß und die Eltern damit eine entspannte Zeit. Und während wir alle kletterten, um die Wette fuhren und spielten, lief der Koch an uns vorbei zum eigenen Kräutergarten und holte sich frische Zutaten für unser Essen. Besser geht es doch gar nicht oder?


"Und jetzt kommt das Beste!", sagte Mia, als wir ins Auto stiegen, um zurück zum Bauernhof zu fahren. 'Das Beste' ist für sie immer der Moment, wenn wir im Bulli alles zum Schlafplatz umbauen und uns häuslich einrichten. Wir machten alles fertig für die Nacht und kletterten dann mit ein bißchen Kuchen zum Nachtisch auf die Aussichtsplattform neben unserem Nachtlager. Von dort konnte man auf drei Seiten die Ostseeküste mit ihren Buchten bei Travemünde und bei Boltenhagen bewundern. Auf Schildern wurde angezeigt, welcher Ort sich wo genau befand. Jeweils mit der Angabe der Kilometern in Luftlinie. Der Berg nannte sich "Sehnsuchtsberg". Ein Schild erklärte uns, dass hier zu DDR-Zeiten die Menschen standen und die Schiffe auf der Ostsee beobachteten. Schiffe, die einfach frei in die Welt hinaus fuhren, während die Menschen selbst nicht weg durften. "Ziemlich gemein und traurig!", fanden unsere Kinder das. Es ist immer wieder gut, aufzuzeigen, wie frei wir heute sind. Zu der aktuellen Zeit ist es uns ja mehr bewusst als zuvor.


Als es dämrig wurde, kuschelten sich unsere Kinder in den Bulli und durften sich auf dem iPad einen Film aussuchen. Immer wieder eine Herausforderung einen Film zu finden, der sowohl mit zehn als auch mit fünf Jahren spannend, aber auch nicht zu gruselig ist. Aber es klappte und wir Erwachsenen beschlossen, noch eine Runde über den Hof durch die Felder zu spazieren. Mia ließen wir ein Handy im Bulli. So konnte sie uns anrufen, falls es ein Problem gäbe. Wirklich entspannt, dass unsere Kinder nun in einem Alter sind, in dem sie auch mal ein paar Minuten allein bleiben können.
In der Abendsonne liefen wir durch die Felder und schauten uns dann noch den Sonnenuntergang auf der Aussichtsplattform an. Irgendwann winkte Mimi von unten und rief: "Wir haben keine Lust mehr zu gucken! Wir kommen zu euch!". Und so kamen beide im Schlafanzug angeflitzt, um mit uns die Sonne hinter der Bucht verschwinden zu sehen.


Am nächsten Morgen saß ich schon mit einer Tasse Milch (Kaffee hatten wir nicht dabei) vor dem Bulli, als sich der Rest der Bande aus den Bergen an Decken und Kuscheltieren herausschälte. Mia zog sich sofort etwas über und verschwand wieder Richtung Aussichtsplattform. Mads folgte ihr schnellstmöglich. Anscheinend hatte es dort oben nachts eine kleine Party gegeben, denn Mia erzählte uns aufgeregt, dass sie ganz viele Bierflaschen weg geräumt hatte. Muss ja eine leise Party gewesen sein...


Das Pärchen im großen Wohnmobil auf der Nachbarwiese belächelte uns leicht, wie wir da so zu Viert aus unserem kleinen Bulli kamen und hinten am mitgebrachten Wasserkanister Zähne putzten. Aber was braucht man eigentlich mehr? Es ist einfach immer wieder ein kleiner Hauch von Hippie-Leben.


Nach dem Frühstück gingen wir mit den Kindern über den Bauernhof, um ihnen die gestern entdeckten Tiere zu zeigen. Ziegen und Schafe, Kühe, Hühner und Schweine...alles vorhanden, was man auf so einem Biohof erwarten würde. Und dann kamen sie aus der Scheune geflitzt: zwei Hunde und drei kleine Hundewelpen! Damit war klar, dass wir von diesem Fleck nicht mehr so schnell weg kommen würden. Die drei plüschigen Freunde streunten um uns herum, kabbelten sich, wurden ausgiebig gestreichelt und gekuschelt. "Bitte, können wir einen mitnehmen? Den ganz kleinen da? Biiiiitteeee, biiitteeee!!!"...ich wusste, dass es so kommen würde. Fast hätte ich mich auch in die kleinen Fellnasen verliebt, dann begann der Kleinste meine Schnürsenkel für sich zu entdecken und sie anzukauen. Nein, leider macht so ein Hund doch viel zu viel Arbeit in einer Familie mit zwei Vollzeitjobs. Aber sie waren schon süß...


Das Wetter war etwas bedeckt und zwischendurch kam immer wieder ein wenig Nieselregen durch. Wir wollten erstmal wieder Richtung Travemünde fahren und vielleicht unterwegs an einem Strand ein bißchen spazieren gehen. Auf dem Weg fanden wir aber spontan etwas Besseres: das MiniMare, ein großer Abenteuerspielplatz mit Miniaturgarten, in dem Gebäude und Geschichten aus der Gegend dargestellt wurden. Der Eintritt war okay und das Tollste war: Wir waren gerade die einzigen Gäste! Auf Abstandsregelungen mussten wir also gerade nicht achten.


Jens und ich konnten gemütlich einen Kaffee trinken, während die Kinder sofort zu den Klettertürmen, dem Irrgarten und den Wasserspielzeugen stürmten. Wir beobachteten sie und philosophierten darüber, wie toll sie doch manchmal trotz des Altersunterschieds zusammen spielen. Dann holten sie uns ab und wir kletterten und erkundeten den gesamten Park zusammen. Zwischendurch kamen ein paar Schauer über uns gezogen und wir mussten immer schnellstmöglich Unterstellmöglichkeiten finden, was die Kinder sofort in ein Abenteuer verwandelten.


Der Hunger trieb uns schließlich weiter. Ich hatte in einem kleinen Restaurant 'Herzhaft süß und Mehr' in Priwall reserviert, wo wir uns die Bäuche voll schlugen. Ich war zwar schon oft in Travemünde, aber noch nie auf der anderen Seite der Trave. In Priwall hatte sich in den letzten Jahren viel getan. Eine ganze Siedlung aus Wohngebäuden und Ferienwohnungen mit diversen Geschäften war hier gewachsen. Wir schlenderten an der Promenade entlang bis zum Segelschiff 'Passat', beobachteten das (wenige) Treiben hier und gingen dann noch ein wenig über den weißen, kilometerlangen Strand. Mia und Jens spielten den gesamten Spaziergang 'Wahrheit oder Pflicht', was zu einigen witzigen (und für andere Passanten vielleicht irritierenden) Situationen führte, aber unseren Kindern die Wegezeit versüßte.


Auf dem Rückweg gab es auf 'Karls Erdbeerhof' noch ein Stückchen Kuchen und eine heiße Schokolade. An unserem gesamten Wochenende hatten wir die aktuellen Einschränkungen kaum bemerkt, doch hier waren sie extrem sichtbar. Die Spielplätze in Schleswig-Holstein waren noch geschlossen, das heißt, dass hier der halbe Park mit Absperrband abgegrenzt war. In den Gebäuden musste man eine Maske tragen.


Den leckeren Kuchen nahmen wir auf der Terasse zu uns und machten uns dann in der Abendsonne auf den Rückweg ins Weserbergland. Die Kinder hatten bereits ihre Schlafanzüge an, spielten lieb auf dem Rücksitz und ließen ihre Highlights des Wochenendes Revue passieren.

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