Von Hühnern im Zimmer und adoptierten Omas - Ein Familientrip nach Wales

Früher noch mit dem Rucksack unterwegs gewesen, gehören neuerdings auch kleine, chaotische Family Trips zu unserem Reiserepertoire. Nach unserer letztjährigen Kurzreise nach Granada, um meine Cousine Janice im Auslandssemester zu besuchen, sollte es diesmal nach Wales in die Heimat meines Onkels Bobby auf einen Verwandtenbesuch gehen.
 
 
Am Flughafen bekam unsere Mimi von meiner Tante Ingrid noch eine Kinderzeitschrift für den Flug. Diesmal waren wir allerdings schlauer als auf unserer Granada-Reise. Damals hatte sie am Flughafen eine Kinderzeitschrift mit einer pinken Glitzerblockflöte als Beilage bekommen, naiv wie wir waren. Natürlich wurde die Blockflöte, sehr zur Freude sämtlicher Mitreisenden, bereits während des Flug (bis zu ihrer Konfiszierung) ausgiebig ausgetestet, später dann in unserem (sehr hellhörigen) Hotelzimmer (wecken der nebenan schlafenden Verwandten inklusive) und dann sogar in der Hotellobby, während Papa und Onkel an der Bar ein Bierchen tranken und auf uns während eines Shoppingtrips warteten. Um es kurz zu fassen: DAS würde uns nicht noch einmal passieren! Darum schob Ingrid auch ganz diskret eine „Playmobil“-Zeitschrift (Beigabe: ein Playmobilmännchen) über eine Kinderzeitschrift mit einer kleinen Gitarre als Gimmick.

Schon im Flugzeug stellte sich heraus, dass unsere Mimi mit ihren vier Jahren nun schon ein alter Flughase ist. Hatte sie doch mit nur 2 Monaten ihren ersten Flug (zu einer Hochzeit nach München) hinter sich gebracht und ist seitdem schon einige Male (inklusive eines 12 Stunden Interkontinentalflugs) geflogen. Kaum im Flugzeug, hatte sie es sich auch schon auf ihrem Sitz bequem gemacht und blätterte beim Start unbeteiligt in ihrer „Playmobil“-Zeitschrift, wie es ein Geschäftsreisender auf einem Business Flug mit dem „Handelsblatt“ oder ähnlichem machen würde. Irritiert war sie nur, als Bobby und ich nach der Landung in Birmingham am Stand der Autovermietung mit einem freundlichen Mitarbeiter auf Englisch klärten, dass er der Fahrer des Wagens sein würde und nicht wie im Vertrag angegeben ich („My niece can’t drive, because…because…she’s pregnant.“ :D). „Bobby hat ganz komisch gesprecht…“ war Mimis verwunderte Reaktion.

Nach der Fahrt nach Cwmbran in Wales stand zunächst ein Besuch bei Bobbys Bruder Marc und dessen Frau Kim an, wo wir erstmal verpflegt wurden und man sich schon über unsere Herberge für die Nacht lustig machte. Nachdem Marc uns vor einigen Monaten bereits mit typisch britischem Humor klar gemacht hatte, dass er uns nicht mehr als eine Decke über einer Wäscheleine als Zeltersatz in seinem Garten anbieten würde, hatten wir es vorgezogen doch lieber ein Bed & Breakfast in der Nähe zu suchen. Meine Tante Ingrid hatte sich mit der Suche nach einer Unterkunft beschäftigt und eine Farm in der Nähe gefunden, die auch 3 Gästezimmer anbot, die Ty Shon Jacob Farm


Marc hatte am Vortag unserer Ankunft schon mal einen Blick darauf geworfen und lachte schallend als wir in seinem Wohnzimmer saßen. Er erzählte uns, dass die Farm auf einem Berg lag und wir ohne Allrad schon mal gar nicht da hoch kommen würden. Er hätte sich auch die Zimmer angesehen und berichtete, dass dort Hühner durch die Räume liefen und wir uns schon mal auf etwas gefasst machen sollten. Im Dunkeln würden wir übrigens nie dorthin finden, da es zu abgelegen war, also würde er uns mit seinem Auto hinleiten.
 
Die Fahrt war tatsächlich abenteuerlich. Im ersten Gang keuchte unser Mietwagen im Dunkeln den Berg hinauf und nachdem wir die letzten Häuser von dem nächstgelegenen Ort Pontypool bereits ca. 3km hinter uns gelassen hatten folgten nochmal ca. 2km Feldweg mit Schlaglöchern so tief wie Loch Ness. Ingrid hatte mir schon gesagt, dass das B&B 35£ pro Nacht kosten würde und es sich um einen Bungalow neben dem Farmhouse handeln würde. Meine Erwartungen waren aufgrund des Preises nicht gerade hoch und ich erwartete eigentlich einen besseren Trailer, hatte für Mimi und mich extra warme Sweatshirts für die Nacht eingepackt, man weiß ja nie… 
 

Von außen sah das Ganze auch in der Realität (und im Dunkeln) relativ unspektakulär aus, aber als wir die Tyshon Jakob Ranch betraten, waren wir begeistert! Alles war traditionell und liebevoll eingerichtet. Nein, das ist eigentlich fast eine Untertreibung. Unser „Family Room“ war riesig und beinhaltete ein Doppelbett und zwei Einzelbetten mit zahlreichen Kissen und dicken Steppüberwürfen, so dass wir zunächst fast glaubten, dass wir alle in diesem einen Zimmer untergebracht würden. Aber nein, eines der plüschigen Einzelbetten war für Mimi bestimmt, das andere würde leer bleiben, da Ingrid und Bobby das, nicht weniger schöne, Nachbarzimmer bezogen. Mimis erste Reaktion beim Betreten unseres Zimmers war: „Hier sieht es aus wie in einem Schloss! Hier muss mal ein Prinz gewohnt haben!“ 


Von unserer Sitzgruppe, bestehend aus zwei Chesterfield-Ledersofas am anderen Ende unseres „Family Rooms“, konnte man auf die riesige Holzterasse (die nur zu unserem Zimmer gehörte) und das darunter liegende Tal schauen. Unser Badezimmer hatte nicht nur goldene Wasserhähne, sondern auch noch eine Badewanne, von der man direkt auf die Pferdekoppel neben dem Häuschen schauen konnte, was wir am nächsten Morgen natürlich gleich ausführlich ausprobierten. Das führte zwar dazu, dass der Rest der Familie kalt duschen musste, aber man gönnt sich ja sonst nichts, hihi.


Das Frühstück war in unserem Zimmerpreis enthalten und erwartete uns am nächsten Morgen, im Frühstücksraum mit verschnörkelten, mit Samt bezogenen Stühlen, als üppiges Buffet mit allem, was man so für einen guten Start in den Tag braucht. Jens und ich luden uns die goldenen (!!!) Teller voll. Alles nur vom feinsten! Irgendwann während wir aßen unterbrach uns Ingrid und sagte: „Ihr wisst aber, dass das Frühstück gleich noch kommt oder?“ Wie, was? Frühstück ist doch schon da, dachten wir. Und dann kam Agneta, unsere schwedische Wirtin, schon mit einem großen Tablett voll Spiegeleier, Würstchen, Speck, Lavabread usw. um die Ecke. Ach ja, ich hatte mich tatsächlich schon gewundert, dass das große Buffet keine Eier bereithielt. Hungrig wurden wir erst gegen Abend…


Da wir in unserem Zimmer auch einen alten Kaminofen hatten, fragen wir Agneta noch beim Frühstück, ob wir diesen abends anheizen dürften, Holz lag ja da. Sie fragte uns freundlich, wann wir abends ungefähr nach Hause kommen würden und meinte, dann würde ein gemütliches Feuer auf uns warten. Herrlich…


Neben unserem Zimmer haben wir natürlich noch einiges von Wales gesehen. Ich wollte jetzt auch gar nicht so lange in Schwärmen kommen, aber es war wirklich toll dort! In Cwmbran trafen wir uns an unserem ersten Abend mit Bobbys gesamter, Waliser Familie in einem Pub, redeten viel, lachten, tranken Guiness und aßen Steak aus brutzelnden, gusseisernen Pfannen. Beim ersten Marsch durch Cwmbran wurde für Mimi eigens von der Familie ein Buggy angeschafft, damit das arme Kind nicht laufen musste, und ließ sich seitdem bei jedem unserer Ausflüge durch die Straßen chauffieren. In Wales Hauptstadt Cardiff verbrachten wir einen ganzen Tag, schauten uns, immer mit der Waliser Familie im Gepäck, die Cardiff Concert hall und das Regierungsgebäude an, sowie das Schloss, den Hafen und das Fußballstadion. Und natürlich das Mini-Stonehenge, da ja vor Jahrtausenden von den Römern an die Waliser verschenkt wurde und so weiter und so fort...aber Moment mal, hatte Stonehenge nicht irgendwas mit Druiden zu tun? Fast hätten wir es geglaubt, wenn Bobby und Marc bei diesem ausführlichen, historischen Einblick nicht irgendwann doch noch ins Lachen gekommen wären...
Mimi genoss es nun auch die ganzen, komisch sprechenden Menschen um sich zu haben und adoptierte Kim bald als Ersatz-Oma, die sie durch die Gegend schob, immer etwas zu naschen oder zu trinken im Gepäck hatte und ihr zudem in Cardiffs Innenstadt auch noch die ein oder andere Kleinigkeit schenkte. Für uns war das natürlich auch unheimlich komfortabel!


Die Küste wollten wir natürlich auch noch sehen und machten uns an unserem letzten, vollen Tag auf den Weg nach Swansea und „The Mumbles“. Dort spazierten wir lange am Strand entlang (das Meer hatte sich ja erst einmal für mehrere Stunden davon gemacht)! Mimi maulte zwar zunächst etwas (tja, Buggys fahren im Sand nicht so super), war dann aber mit Feuereifer dabei unter den unzähligen Muscheln am Strand die schönsten herauszusuchen. Ich habe wirklich noch nie so viele Muscheln an einem Strand gesehen! Ein anschließender Spielplatzbesuch stimmte sie dann noch gnädiger und schließlich kehrten wir im „The Junction“, einem kleinen Café am Strand ein und wärmten uns mit heißem Kakao mit Marshmallows wieder auf. 
„The Mumbles“ ist ein unheimlich niedliches, kleines Bergbau-Örtchen in der Swansea Bay, das an einem Berg gebaut ist auf dessen Anhöhe eine alte Burgruine steht. Hier schlenderten wir ein wenig durch die Straßen mit ihren kleinen, alten Geschäften, bevor wir wieder Richtung Cwmbran aufbrachen, denn an unserem letzten Abend wollte Kim für uns kochen. 


Gut, dass sich die Familie schon daran gewöhnt hatte, dass die deutschen Verwandten nicht gerade leuchtende Beispiele der deutschen Pünktlichkeit sind. Zuuuufällig kamen wir auf dem Rückweg noch an einem Outlet vorbei und konnten einfach nicht daran vorbei fahren. Natürlich kauften wir nicht nur Klamotten (für unsere dicken Bäuche) und Schuhe (für unsere breiten Füße), sondern auch britischen Tee, so dass man uns nicht vorwerfen kann, dass wir sämtliches, kulturelles Interesse plötzlich über Board geworfen hatten :D. 
Aber natürlich kamen wir zu spät zum Essen und saßen zur Strafe allein am Esstisch, denn die Waliser Verwandten waren bereits seit einiger Zeit fertig. 


Als wir zurück auf „unsere Alm“ kamen, waren wie immer in unseren Zimmern die kleinen Lampen auf den Fenstersimsen an und das Feuer in unserem Zimmer fackelte gemütlich. Man kann sich wirklich schnell an den kleinen Luxus gewöhnen! Auch an die Häschen, die im Dunkeln zuhauf über den Feldweg hoppelten, wenn wir heim kamen. Und natürlich an die netten und kinderfreundlichen Einheimischen. Wir werden bestimmt wieder kommen!


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