Die Elsbeth und ihre Fallschirmspringer

Wetter: 20 Grad (Sonne & wenige Wolken); gesehene Spinnen: 0

Die Nacht von Sonntag auf Montag waelzte ich mich nur von einer Seite auf die andere und konnte partout nicht vernuenftig schlafen...wie auch, wenn man weiss, dass man am naechsten Tag in 14 000ft (ca. 4,3km) Hoehe aus einem kleinen Flugzeug springen wird? Doch wie koennte man den Geburtstag unserer Hoheit, der guten alten Queen Elisabeth II, besser zelebrieren als vom australischen Himmel zu fallen? Um kurz nach 7 morgens wurde ich von Sophie, Kay und Johanna zuhause abgeholt und wir fuhren mal wieder aus Sydney hinaus. Diesmal mit einem mulmigen Gefuehl, denn wir Maedels waren alle muede und aufgeregt vor unserem Sprung. 

Kay war als seelische Unterstuetzung und Kameramann mitgekommen und hielt uns mit kleinen Geschichten ueber Fallschirme, die nicht oeffneten und aehnliche Spaesschen, bei „Laune“ ;o). Auch die Musik im Radio hatte an diesem Morgen alles andere als eine beruhigende Wirkung, denn als wir auf den Highway fuhren, hatten sich die DJs ueberlegt ausgerechnet heute mal wieder ein paar Kracher wie „Knocking on Heaven’s Door“ oder „Highway to Hell“ aufzulegen. Ich war ja um 6h schon mit „Der letzte Tag“ von Peter Fox geweckt worden und als dann im Radio auch noch „If today was your last day“ von Nickelback angestimmt wurde, bat ich Kay doch bitte den Sender zu wechseln.


Gegen Viertel nach 8 erreichten wir die Base der Sydney Skydivers in Picton. Es war schon eine ganze Reihe Leute dort: Skydiving Instructors, Skydiving Students, Hobbie – Skydiver und dann Leute wie wir. Man erkannte sie daran, dass sie nervoes auf Baenken sassen oder in der Gegend rumliefen. Wir suchten uns einen Tisch und fuellten unsere Vertraege aus. Besonders beruhigend fanden wir die Zeile: „Accidents can, and do often, happen and people can get seriously injured or killed.” und in diesem Satz besonders die drei Worte “AND DO OFTEN”!!! So konnte ich mich nicht zurueck halten und fragte nochmal kritisch nach, als ich meinen Vertrag unterschrieben zurueck geben sollte, wann denn das letzte mal jemand bei einem Tandemsprung gekillt worden ist. Die freundliche Dame an der Information sagte dann Gott sei dank, dass das letzte mal 1986 gewesen sei und das waere auch nicht auf dieser Base passiert. 23 Jahre ohne Todesfall, damit konnte ich leben, denn wenn man in Australien jemanden fragt, ob das Wasser sicher ist, bekommt man generell Antworten wie: „Ja klar, es gab schon seit bestimmt 3 Monaten keinen Hai - Angriff mehr!“.


Die Wartezeit vertrieben wir uns damit, dem ersten Flugzeug beim Starten und den ersten Skydivern beim Landen zuzusehen. Okay, alle gelandet, keine Knochenbrueche oder Todefaelle. Das war schonmal sehr gut und je mehr wir zusahen desto mehr sehnten wir uns nach dem Moment, in dem wir endlich aufgerufen werden. Haetten wir es doch auch endlich hinter uns! Kai nahm derweil unsere letzten Willen auf Band auf und schliesslich wurden wir zum Ankleiden bestellt. Jede von uns wurde in einen schicken rot-gelben Anzug und ein Geschirr mit mehreren Karabinerhaken gesteckt, was einem das Gefuehl vermittelte, man wuerde gleich mit den anderen Darstellern von „Armageddon“ das Raumschiff besteigen, um den erdbedrohenden Meteroiden zu zerstoeren. Aber naja, sooo hoch sollte es ja nun auch nicht hoch gehen...

 

Mein Trainer Adrian filmte meine letzten Worte und instruierte mich, wann ich meinen Kopf zurueck, die Arme breit und die Beine zurueck machen sollte und wie ich mich bei der Landung verhalten musste. Ich hatte das Gefuehl alles sofort wieder vergessen zu haben und zur Sicherheit haengte mich Adrian mit meinem Geschirr nochmal an eine Art Gestell, so dass ich wie ein Kleinkind in einer Schaukel da hing und jede Bewegung zu jedem Zeichen, das er mir gab, nochmal durch gehen musste. Dann wurde ich durch die Heckklappe ins Flugzeug, einen sogenannten Skyvan, gefuehrt. Das Ding sieht aus wie ein ueberdimensionaler Campingwagen mit Fluegeln und man hat wirklich nicht das Gefuehl, dass es fliegen kann, wenn man davor steht. 

Sophie sass schon direkt hinter dem Cockpit im Flugzeug und warf mir einen angestrengten Blick zu und als dann auch noch Johanna zustieg, die bis zuletzt auf ihren Instructor warten musste, startete die Maschine und es ging los. Adrian versuchte mich in ein Gespraech zu verwickeln und zwang mich mit dazu mit seiner Videokamera zu kommunizieren. Meine Nervositaet war einer Mischung aus Endzeitstimmung und Vorfreude gewichen, so dass ich die 15 Minuten, die wir an Hoehe gewannen, still vor mich hinstierte und nur von Zeit zu Zeit die anderen Maedels ansah. In meinem Kopf wiederholte sich ironischerweise immer wieder die Melodie von Reinhard Mey’s „Ueber den Wolken“.

 

Als die kleine Ampel im Flieger auf rot schaltete, mussten alle aufstehen und Adrian schnallte mich erst vom Flugzeug ab (wir hatten alle auf dem Boden gesessen und waren dort angeschnallt worden) und dann an sich dran. Jetzt wusste ich, dass es definitiv kein Zurueck mehr gab. Die Ampel schaltete auf gelb und die Heckklappe oeffnete sich und als gruen aufblinkte, sprang der erste Skydiver ab. Er hatte sogar ein Skyboard dabei und ich haette gern mal gesehen, wie man damit fliegt, aber leider war ich in dem Moment zu sehr mit mir selbst beschaeftigt. Eine Sekunde spaeter verschwand Johanna aus meinem Blickfeld und dann war ich dran. „Nicht runtergucken!“ dachte ich nur bei mir und hoerte auch schon wie Adrian mir „Legs back!“ ins Ohr rief, das Zeichen fuer mich, die „sichere Sprungstellung“ (Kopf in den Nacken, Huefte nach vorne, Beine nach hinten anwinkeln) einzunehmen. Ich wusste, dass ich damit den letzten Boden unter den Fuessen aufgab und im selben Moment sprang mein Instructor ab...

 

...was dann kam, war einfach nur toll! Ich hatte den Mund zum Schreien aufgemacht und wartete auf das Gefuehl, dass man in Freefalltowern in Heidepark oder Movieworld bekommt. Aber es blieb aus! Ich musste gar nicht schreien und war so verbluefft davon, dass ich vorsichtshalber noch einen Moment den Mund aufliess. Und dann genoss ich einfach 50 Sekunden freien Fall! Naja, was heisst freien Fall...es ist mehr wie schweben, denn man faellt von dort oben nicht wie ein Stein zu Boden. Eine ganz andere Art als im Freefalltower und gar nicht damit zu vergleichen. Adrian klopfte mir nach wenigen Sekunden auf die Schulter, was fuer mich das Zeichen war, meine Arme auszubreiten, die ich am Anfang gekreuzt ueber der Brust halten musste.

 

Ich fiel und fiel, schliesslich durch eine Wolke hindurch, die sich an diesem schoenen Tag an den Himmel verirrt hatte, und kurz danach loeste der Schirm aus. Bis dahin muessen es so ca. 2,5km gewesen sein und dann glitten wir nur noch durch die Luft, zogen ein paar Kreise und ich konnte die Aussicht geniessen. Man fuehlt sich wie ein Vogel. Es ist einfach nur toll und all die Angst, die man zuvor hat, ist vollkommen unbegruendet! Die Angst vor der Angst halt...

 

Der gesamte Sprung war dann einfach viel zu schnell vorbei! Langsam kamen die Baeume und auch die Menschen, die uns von unten beobachteten, wieder naeher und mein Instructor setzte zur Landung an. Das hiess fuer mich Beine nach vorn und schwups sass ich mit dem Po im Gras auf dem Landeplatz und fuehlte mich ein bisschen wie Bridget Jones (gut, dass keine Schweinegrube in der Naehe war!). Adrian kniete hinter mir und gratulierte mir zum gelungen Sprung.

 

Zur Landung musste ich auch ein paar Worte in seine Videokamera sprechen, aber all die witzigen Dinge, die ich mir vorher ueberlegt hatte, fielen mir natuerlich in dem taumeligen Zustand meines adrenalingeladenen Koerpers nicht ein. Ich stammelte als waere ich grad zur Miss Australia gewaehlt worden. Mein Gehirn hatte auf Standby geschaltet und ich konnte, nachdem ich von dem Schirm befreit wurde, nur noch auf Johanna und Sophie zuspringen, die sich am Rand des Feldes schon lachend in den Armen lagen.

 

Mit einem breiten Grinsen im Gesicht warteten wir nur noch auf unsere Videos und Zertifikate, denn wir sind ja jetzt alle fuer zwei Monate offizielle Mitglieder des „Australian Parachutist Clubs“ und haben einen entsprechenden Parachutist Schuelerausweis bekommen. Ich wuerde es auf jeden Fall wieder machen und kann es jedem nur empfehlen! Aber man sagt ja leider, dass das Gefuehl beim ersten Sprung von keinem der kommenden Spruenge ueberboten werden kann...

 




Ihr koennt euch sicherlich vorstellen, dass wir nach dem Sprung ganz schoen geschafft waren...und hungrig, aber das scheint ja momentan bei uns ein Dauerzustand zu sein. Also assen wir lecker Thai in einer nichtssagenden Stadt namens Campbelltown (wieder Bogan Alarm!) und fuhren dann nach hause, wo ich erstmal allein einen ausgiebigen Spaziergang durch Balmain machte und die Sonne genoss, um wieder ein bisschen runterzukommen. 

Dabei musste ich kurz darueber nachdenken, wie scary es eigentlich ist, dass Peter mir nach meiner Rueckkehr zuhause erzaehlte, dass er denjenigen, der 1986 bei dem Tandem Sprung ums Leben kam, ausgerechnet der Freund seiner Schwester war. Gut, dass er mir das nicht vorher offenbart hatte!!! 

 Ich setzte mich in einer Bucht von Balmain auf eine Mauer ans Wasser und las ein bisschen in meinem neuen Lieblingsbuch „Fruehstueck mit Kanguruhs“ von Bill Bryson. Allerdings auch nur um die Zeit zu ueberbruecken, bis Johanna, Sophie und Kay wieder bei mir vorfuhren. Wir hatten uns verabredet, um Fotos unserer bisherigen Trips auszutauschen und die lustigen Skydiving Videos anzusehen. Sophies Video war das Beste, weil es zeigte, wie sie kurz vor dem Absprung an der Kante der Heckklappe stand und nach unten sah, woraufhin sie panisch versuchte sich im letzten Moment oben am Flugzeug festzuhalten. Allerdings natuerlich zu spaet, denn in dem Moment sprang ihr Instructor und sie hatte keine Wahl! 

Nachdem wir genug Spass mit unseren lustigen Erinnerungsstuecken gehabt hatten, gab es noch ein leckeres Steak in Dick’s Hotel bei mir um die Ecke und natuerlich einen „Gute-Nacht-Shot“, um unseren Sprung zu feiern, denn wir sind ja schon ein bisschen stolz auf uns... Wie schrieb Katrin so schoen in ihrer SMS nach meinem Sprung: „Wenn man vom Himmel faellt, kann einen bestimmt erstmal nichts mehr schocken!“. ~ines

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